TÖDLICHE LOGIK...

…ODER: ÜBER DEN UMGANG MIT KRITISCHEN JOURNALISTEN

(aus dem Buch „Runter kommen Sie immer“)

 

Die Idee zu dem gleichnamigen Film Tödliche Logik, der erstmalig im Januar 1995 im WDR und später dann, in einer veränderten Fassung, auch vom Hessischen Rundfunk ausgestrahlt wurde, kam mir durch meine Recherchen im Zusammenhang mit dem Landeunfall des Lufthansa A 320 »Kulmbach« in Warschau, den ich auf S.87 ff. geschildert habe.

 

In dem Fernsehfilm gingen wir der Frage nach, ob und wieweit die Innovationen des europäischen Flugzeugherstellers Airbus wirklich das hielten, was die Konstrukteure und der Hersteller vollmundig priesen. Wir kratzten dabei ein wenig am Lack des computerüberwachten Wunderfliegers, was dem Hause Airbus natürlich gar nicht schmeckte. So war es denn für meinen Redakteur, Dr. Heribert Blondiau, und den damals zuständigen Ressortleiter Gabriel Heim beim WDR wenig verwunderlich, dass wir schon bald nach der Ausstrahlung anwaltliche Post aus dem Hause Airbus bekamen. Wegen der Weigerung des WDR, darauf einzugehen, gab es schon bald vor der Pressekammer des Landgerichts Hamburg ein Verfahren, mit dem klaren Ziel, die weitere Ausstrahlung dieses Films ein für allemal zu verhindern. Nun, dazu kam es nicht, aber immerhin verbot doch das Gericht dem WDR und mir drei im Film gemachte Aussagen.

Über die erste Verbotsverfügung brach allerdings die gesamte Fachwelt in schallendes Gelächter aus. Gleich am Anfang des Filmes stellen wir den A 320 vor und beschreiben die Vorzüge dieses Flugzeuges. Wir weisen darauf hin, dass die Piloten in großen Teilen bei ihrer Arbeit von Computern unterstützt werden. Völlig davon abgetrennt steht dann die Bemerkung: »Ein Flugingenieur wurde überflüssig.« (Zit. n. Tödliche Logik, WDR, ausgestrahlt am 2.1.95)

Airbus war nun der Auffassung, dass wir hierdurch behaupteten, die Flugingenieure würden wegrationalisiert. Diese Äußerung hätte einen anrüchigen Beigeschmack, meinte man in Toulouse. Das Gericht schloss sich dieser Auffassung an und untersagte sie. Dabei werden nun aber die ehemaligen Aufgaben des dritten Mannes im Cockpit, des Flugingenieurs, heute mehr denn je von Computern ausgeführt, und das gerade bei Airbusflugzeugen der neuen Generation. Bei der bereits Mitte der 60er Jahre in Dienst gestellten Boeing 737 oder aber auch der DC 9, die ebenfalls nur mit zwei Piloten fliegt, wurden solche Aufgaben auf die Piloten übertragen, die damit eine wesentlich höhere Workload (Arbeitsbelastung) haben als die Kollegen in den Drei-Mann-Cockpits. Ein Argument, dass Airbus sonst eigentlich immer gerne vorträgt, über das es sogar eine voluminöse Studie angefertigt hat, die genau diesen Workload-Faktor in ihren Cockpits untersucht (vgl. auch Workload and Vigilance, Airbus Industrie, Toulouse 1994).

Nun ja, offensichtlich überfordert eine genaue Prüfung solch hochkomplexer Sachverhalte die intellektuelle Kapazität bundes-deutscher Richter. In der neuen Fassung des Films ist dieser Satz deshalb einfach gelöscht. Es handelt sich, aus unserer Sicht, lediglich um eine entbehrenswerte Marginalie. Und damit auch Airbus aus diesen Zeilen jetzt keine falschen Schlüsse zieht und gar meint, mich erneut mit einem weiteren Bestrafungsantrag zur Raison bringen zu müssen, bestätige ich hiermit abermals, dass ich nie mehr behaupten werde: »Ein Flugingenieur wurde überflüssig.«

Die zweite Aussage, die ich nicht mehr treffen darf, stand im Zusammenhang mit dem Unfall des ersten A 320 im Juni 1988 auf dem Flugtag in Habsheim (s. dazu S.102 ff.). Nachdem ich den Unglückspiloten Michel Asseline interviewt hatte, um seine Version des Unfalls zu hören, machten wir, allerdings ohne Herrn Asseline im Film selber zu Wort kommen zu lassen (aus heutiger Sicht ein eklatanter Fehler, denn seine eigene Aussage wäre wohl durch das Konstrukt der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen), folgende Aussage zum Bruchpiloten: »Air France Pilot Michel Asseline überfliegt bei einer Flugschau den Platz zu tief. Im Vertrauen auf die Slogans der Konstrukteure riskiert er zuviel und stürzt ab.« (Zit. n. Tödliche Logik, WDR, 2.1.95) Auch dieser Satz musste geändert werden. Er heißt heute: »Bei einer Flugschau überfliegt Air France Pilot Michel Asseline den Platz zu tief. Er riskiert zuviel und stürzt ab. Nach dem Unfall beruft er sich auf sein Vertrauen in die ausgeklügelten Sicherheitssysteme des Flugzeugs.«

Weiterhin störte Airbus eine Aussage des ehemaligen Sicherheitspiloten der Lufthansa, Kapitän Heino Caesar, der im Hinblick auf die Konstruktion und die damit verbundene Zielsetzung von Airbus sagte: „…weil Airbus der Ansicht ist, dass der Pilot nur noch ein notwendiges Übel ist – und ein Übel, das bereits technisch überwindbar wäre, das nur mit Rücksicht auf die Psychologie der Passagiere noch toleriert wird. Und ein Airbus A 320 ist ein ganz klar auf die Eliminierung der Piloten hin konstruiertes Flugzeug. Es ist nichts weiter als ein fliegendes Testbett, um über die Ein-Piloten-Version auf die Null-Piloten-Version zu kommen. Und sie ignorieren dabei die Tatsache, dass für einen überschaubaren Zeitraum, den ich mal auf 30 bis 5ojahre ansetzen möchte, dass Menschen in diesen Cockpits aufgrund der Unwägbarkeiten der Progammierungen von derartigen Systemen unverzichtbar sein werden. Wenn aber der Mensch in diesem Cockpit unverzichtbar ist, muss das Flugzeug als ein Handwerkszeug auf den Menschen zukonstruiert sein. Und das bedeutet, dass ich auf gewisse Dinge, die zwar technisch möglich sind, bewusst verzichten muss, um dieses Flugzeug für den Menschen operierbar und überschaubar zu machen, und diese Schwelle hat Airbus ganz bewusst überschritten. Und zwar in dem Bestreben, mit einer extremen Avantgarde sich auf dem weltweit umkämpften Markt zu etablieren gegen die übermächtige amerikanische Konkurrenz.“

Harte Worte, mit einem arg kritischen Touch, also nicht verwunderlich, dass Airbus eine solche Aussage ebenfalls unterbinden wollte. Allerdings entschied die Hamburger Landgerichtskammer, hier mit Weisheit erleuchtet, dass diese Aussage wohl doch durch die im Grundgesetz garantierte freie Meinungsäußerung abgedeckt sei. Das lässt hoffen…

Im weiteren Verlauf des Filmes haben wir uns dann auch den großen Bruder des A 320, den A 340 vorgenommen. Oliver Will, damals Pressesprecher der Vereinigung Cockpit und selber Airbus-Pilot, wurde von mir gefragt, ob das Computersystem ECAM denn sicher und fehlerfrei sei. Will antwortete darauf: »Dieses System ist auf alle Fälle sicher, fehlerfrei auf keinen Fall. Es gibt Dinge, an die der Programmierer nicht denken konnte und auch nicht gedacht hat. Wir müssen teilweise gegen solche auf dem Bildschirm erscheinenden Vorschriften verstoßen, um den Flug überhaupt sicher durchzuführen. Und ich lade Sie ein in den Simulator. Wir werden Ihnen ein solches Beispiel demonstrieren.«

Im Anschluss daran befanden wir uns im A 340-Simulator der Technischen Universität Berlin und flogen dort einen doppelten Triebwerksausfall. Aufgabenstellung an die Piloten war, die Fehler genau nach den Vorgaben des ECAM abzuarbeiten, also so, wie es jede Besatzung im Ernstfall eigentlich tun sollte. Wir filmten die gesamte Situation mit mehreren Kameras und präsentierten diesen Film einige Tage später dem technischen Direktor von Airbus Industrie, Bernard Ziegler in Toulouse.

Insbesondere ging es in diesem Fall um ein Problem mit der Druckkabine des A 340. Von den Triebwerken wird Druckluft in ein sogenanntes »Pack« geleitet. Im »Pack« wird diese Druckluft in klimatisierte Luft für die Kabine umgewandelt. In einer normalen Reiseflughöhe simulierten wir den Ausfall des Triebwerkes Nr.1 auf der linken Seite. Das ECAM meldete darauf hin »Engine Damage«, also Triebwerk beschädigt. Nach einer Überprüfung durch die Piloten wurde dieses Triebwerk abgeschaltet. Prophylaktisch sollte die Besatzung jedoch bei einem Engine-Damage auch den Feuerknopf (eine Art Hauptschalter) am Overheadpanel drücken, so die computergenerierte Checkliste. So weit, so gut, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kein gravierendes Problem. Es verblieben ja noch drei weitere Triebwerke, mit denen man jetzt, auf einer etwas geringeren Höhe, den Flug fortsetzen konnte.

Nach Beendigung des Abarbeitens dieser Computeranweisung ließen wir im Simulator das Triebwerk Nr.3 auf der rechten Seite Feuer fangen. Zugegeben, eine nicht gerade alltägliche Situation, aber durchaus denkbar, z.B. wenn ein Flugzeug nach einem Vulkanausbruch durch Lavaasche, die auch in großen Höhen vorkommen kann, fliegt. Das ECAM erteilte den Piloten wiederum seine Anweisung, und diese folgten. Auch hier musste jetzt der Feuerknopf gedrückt und eine Löschflasche abgeschossen werden, um das Feuer im Triebwerk zu löschen. Da offenbar im Hause Airbus an dieser Stelle nicht weitergedacht worden war, ergab sich beim sturen Abarbeiten der ECAM-Verfahren ein weiteres Problem: Einige Minuten nach Betätigen des Feuerknopfes vom Triebwerk Nr.3 forderten Cockpit-Warnglocke und ECAM-Monitoranzeige die Piloten auf, sofort die Sauerstoffmasken anzuziehen und einen Sinkflug auf 10.000 Fuß einzuleiten. Erst später erhielt die Crew im Simulator auf dem Monitor einen Hinweis auf die Ursache des Problems. Drückt man nämlich – sozusagen ECAM-verfahrensgemäß – bei der Beschädigung des Triebwerkes Nr.1 auf den Feuerknopf, stellt dieser, dank der fortschrittlichen und den Piloten entlastenden Automatisierung, gleich die Druckluftversorgung der Triebwerke 1 und 2 ab und schließt das Pack auf der linken Seite. Gleiches geschieht jedoch beim Betätigen des Feuerknopfes vom Triebwerk Nr.3 – Druckluft von Triebwerk 3 und 4 sowie das Pack auf der rechten Seite wird abgestellt. Bei einem Feuer ist das auch durchaus richtig, denn man vermeidet so, dass eventuell Rauch über die Air-Conditioning in die Kabine gelangt. Da der A 340 konstruktionsbedingt aber nur über zwei »Packs« verfügt (andere vierstrahlige Verkehrsflugzeuge wie die Boeing 747 oder die DC 8, aber auch die dreistrahlige DC 10 bzw. MD 11 verfügen über drei Druckluft-Systeme, damit auch über eine höhere Redundanz beim Ausfall eines Systems), gibt’s jetzt halt keine Druckluft mehr. Sozusagen vollautomatisch, computerüberwacht.

Bleibt die Frage, warum das immer wieder als non plus ultra angepriesene ECAM dies den Piloten nicht sofort mit Eintritt der Abschaltung mitteilt? Immerhin hätten die Piloten dann die Möglichkeit, frühzeitig und angemessen auf diese neue Situation zu reagieren. Ist nämlich nach Abschalten von Triebwerk 1 die eine Hälfte weg, zeigt das ECAM es an. Ist jedoch mit Abschaltung von Triebwerk 3 alles weg, zeigt das ECAM erst einmal nichts. Könnte der Fortschritt schon so weit gediehen sein, dass das System seine Priorität eher in der Strom- und Hydraulikversorgung sieht (denn die wird explizit auf dem Monitor angezeigt), weil die Halbleiter, Kabelstränge, Chips, Ventile und Hydraulikflüssigkeit zum einwandfreien Funktionieren etwas so Banales wie Sauerstoff zum Atmen gar nicht benötigen? Den brauchen ja nur die Piloten. Ach ja, und eventuell auch die Passagiere und Flugbegleiter. Stanislav Lem und Stanley Kubrick lassen grüßen.

Airbus Industrie, offenbar aber auch die Airbusflottenführung der Lufthansa witterten Manipulation, Verrat und Nestbeschmutzung. Denn der Lufthansa-Kapitän, der dieses Szenarium im Simulator geflogen war, bekam von seiner Flotte die dienstliche »Einladung« zu einem außerordentlichen Simulatorflug, diesmal auf der Frankfurter Basis. Unter Aufsicht von zwei Check-Kapitänen der Lufthansa und nach ordentlicher Vorbereitung auf das anstehende Problem wurde das ganze noch mal geflogen. Und siehe da, abermals ergab sich ein annähernd identischer Ablauf. Kurz nach dem Abstellen des zweiten Triebwerkes kam die Warnung für den Kabinendruck. Mit Sauerstoffmasken auf der Nase ging es abwärts auf 10.000 Fuß – dabei hatte man doch diesmal alles richtig gemacht …

Auf irgendeinem dubiosen Weg, der heute jedenfalls schwer nachvollziehbar ist, erhielt Airbus Industrie das Protokoll dieser firmeninternen Lufthansa-Simulator-Session als Kopie. Die Faxkennung auf dem Dokument weist den Absender als »FRA-NA« aus, das Kürzel der Airbusflottenführung der Lufthansa. Airbus legte dieses und andere Dokumente dem Hamburger Landgericht vor, allerdings in der Absicht, ihren eigenen Standpunkt zu untermauern. Unter den anderen Dokumenten befanden sich auch zwei eidesstattliche Versicherungen. Eine stammte von Herrn Hanko von Lachner, einer Persönlichkeit des Airbus-Managements, die andere von Airbus-Testpilot Bernd Schäfer. Beide eidesstattlichen Versicherungen behaupten, dass die in unserem Film aufgezeigte Problemstellung falsch sei, insbesondere die im Kommentar gemachte Aussage: »Die Piloten erfahren davon (Abstellen der Druckluftversorgung bei Betätigen des zweiten Feuerknopfes; A.d.v) nichts. Der Computer gibt ihnen zu diesem Zeitpunkt weder einen Hinweis noch eine Warnung.« (Zit. n. Tödliche Logik, WDR, 2.1.95)

Nein, ganz im Gegenteil, so die Erklärungen, dadurch, dass in dieser Situation am Overheadpanel die sogenannten Fault-Lights (Fault-Light: Fehler-Lampen. Nur wenn ein Fehler auftritt, eine Abweichung vom Normalzustand, gehen diese Lampen an) für die Druckluftventile aufleuchten, erführen die Piloten, dass es keine Druckluftversorgung mehr gibt. Die im Film gemachte Aussage sei somit falsch und für einen durchschnittlichen Zuschauer, auf dessen Belange ja in solchen Verfahren immer abgestellt wird, grob irreführend. Zur Untermauerung legte Airbus dann in der mündlichen Verhandlung auch noch ein Foto aus ihrem A 340-Flugsimulator in Toulouse vor, das die Schalter hell erleuchtet zeigt.

Da ja eine eidesstattliche Versicherung zur Vorlage bei Gericht den gleichen Stellenwert wie eine Aussage unter Eid hat, kann ich nachvollziehen, warum die Richter diesen Punkt somit Airbus zugesprochen haben. Die vom WDR und mir vorgetragene Argumentation, dass es völlig lebensfremd sei, dass sich Piloten bei einem funktionierenden ECAM-System am Overheadpanel Informationen zusammensuchen, hatte gegen ein solches Manifest natürlich nur wenig Bestand. Dennoch steht es völlig im Gegensatz zu geltenden Verfahren, dass eventuelle Anzeigen an dieser Schalttafel von den Piloten beachtet werden sollen, solange das ECAM ordnungsgemäß arbeitet.

Als ich dann einen Tag später beim WDR erneut unsere Drehkassetten kontrollierte und mir noch mal die Großaufnahmen von der dritten Kamera ansah, wurde ich stutzig. Diese fixierte Kamera hatte die ganze Zeit über nichts anderes als eben das Overheadpanel aufgenommen. Also erwartete ich das Aufleuchten der Fault-Lights. Doch ich wartete vergebens. Auch noch Minuten nach Drücken des zweiten Feuerknopfes leuchteten die besagten Schalter der Druckluftversorgung jedenfalls nicht.

Nun ist man als Luftfahrtjournalist mit kritischem Ansatz durchaus gut beraten, Freunde bei möglichst vielen Airlines in der Welt zu haben. Glücklicherweise habe ich Freunde auch noch bei anderen ~ Airlines als der Lufthansa, und zufällig fliegen einige davon auch den A 340. Also bat ich sie, unser Szenarium in ihrem Simulator zu fliegen und mir doch bitte mitzuteilen, was genau passiert. Besonderes Augenmerk sollten sie natürlich auf die besagten Fault-Lights haben. Einige Wochen später gab es dann Klarheit, denn in keinem der A 340- Simulatoren leuchteten, wie von Airbus vorgetragen und von den Herren von Lachner und Schäfer eidesstattlich versichert, die besagten Lampen.

Vielleicht könnte ja derjenige, der das Flugzeug gebaut hat, diese Dunkelheit erhellen, dachte ich und fragte bei Airbus schriftlich an, wie man sich in Toulouse diesen Umstand erklärt. Nach einem recht unfreundlichen Telefonat mit Airbus PR-Chef Robert Alizart, das sich nicht eben durch eine gehaltvolle Wortwahl auszeichnete, erhielt ich dann ein kurzes Fax: »We do not answer to unsubstained allegations.« Dabei hatte ich mich lediglich nach einer Erklärung erkundigt. Da ich dort so nicht weiter kam und mir seit unseren Filmaufnahmen jeglicher Zugang zu Airbus Simulatoren verwehrt wird (sogar zu solchen, die mit öffentlichen Geldern zum Wohle der Wissenschaft für eine deutsche Universität angeschafft wurden), wandte ich mich an unsere Luftaufsichtsbehörde, das LBA. Dort interessierte man sich schon mehr für diesen Fall. Immerhin sollen die Systeme im Flugsimulator, auf dem Piloten ja schließlich ausgebildet werden, genauso arbeiten wie die im Flugzeug und umgekehrt. Also führte das LBA im Januar 1996 auf dem Lufthansa A 340-Simulator in Frankfurt eine Überprüfung des Sachverhaltes durch. Und siehe da: Kein Lämpchen leuchtete. Ein entsprechendes Schreiben des LBA erhielt ich im Februar. Abermals nicht mehr nachvollziehbar, wie es dazu kommen konnte, erhielt auch Airbus Industrie eine Kopie dieses ausschließlich an mich adressierten Schreibens. Wieder weist die Faxkennung als Absender »FRA-NA« auf. Seitdem frage ich mich natürlich, ob an der eher scherzhaften Floskel »LBA = Lufthansa Bundesamt« doch vielleicht was dran ist…

Postgeheimnis hin oder her, der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Gegen die Herren Bernd Schäfer und von Lachner läuft bei der Staatsanwaltschaft Hamburg seitdem eine Strafanzeige wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Gegen Airbus Industrie gibt es eine Strafanzeige wegen Prozessbetruges. Doch statt zu handeln schiebt die zuständige Frau Staatsanwältin dieses Verfahren nun schon seit über einem Jahr von einer Schreibtischseite zur anderen (Das Verfahren wurde inzwischen eingestellt A.d.Verf. 2000).

Gegen die Neufassung des Films, die im Frühjahr 1996 vom Hessischen Rundfunk ausgestrahlt wurde, zog Airbus erneut zu Felde. Wie sollte es anders sein, diesmal vor dem Landgericht Frankfurt. Das Frankfurter Landgericht schloss sich hinsichtlich der A 340-Simulation einfach dem Urteil der Hamburger Kollegen an, ohne dabei zu würdigen, dass wir in der neuen Version die Kameraeinstellung auf das dunkle Overheadpanel eingeschnitten und auf die Airbus- Argumentation »Hier sollten Schalter leuchten« hingewiesen hatten.

Gegen meine Weigerung, die Unterlassungsverpflichtung in diesem Punkt anzuerkennen, erfolgt seitens des Hauses Airbus heftiges Säbelrasseln und die Androhung, mich zu verklagen. Dabei treibt man den Streitwert gleich in Millionenhöhe hoch und hofft natürlich insgeheim, dass ein kleiner Journalist und Buchautor allein schon im Hinblick auf die somit anfallenden Gerichts- und Anwaltsgebühren in Höhe eines guten Topmanager-Jahresverdienstes weiche Knie bekommt und einknickt. Non, Mesdames et Messieurs, da muss ich Sie enttäuschen, denn ich pflege seit über 30 Jahren den aufrechten Gang.

Ein solches Verfahren wäre sicherlich recht amüsant und spannend. Vielleicht würde ein Gericht, das sich die Mühe macht, in diese Materie wirklich einzusteigen, heute nämlich zu einem anderen Schluss kommen. Denn mittlerweile liegt die Einlassung von Herrn Schäfer und Herrn von Lachner auf die Strafanzeige vor und ist damit amts- und aktenkundig. Immerhin steht nunmehr fest, dass der Testpilot des Hauses Airbus nicht weiß, wie die von seiner Firma ausgelieferten Flugzeuge vom Typ A 340 funktionieren. Doch dafür kann der arme Mann angeblich nichts, denn irgend jemand im Hause Airbus hat vergessen, ihn und Herrn von Lachner auf eine kleine Änderung im Programm hinzuweisen. Ausweislich des Zugeständnisses von Airbus Industrie und gerade weil der Eintritt einer solchen, von uns aufgezeigten Situation höchst unwahrscheinlich wäre, wurde nämlich die Software, die diese Schalter beim Betätigen des Feuerknopfes aufleuchten lässt, geändert – ohne dass der Herr Testpilot davon Kenntnis erhalten und der eigene A 340-Flugsimulator im Hause Airbus eine solche Modifizierung erfahren hätte. Deshalb gibt es auf der ganzen Welt kein Flugzeug und auch keinen Flugsimulator A 340, in dem in dieser Situation die Lämpchen leuchten. Nur im Simulator im fernen Toulouse leuchtet einsam dieses Lichtelein…

 

Hier der Film der über acht Jahre durch Airbus blockiert wurde in einer englischen Sprachfassung :

(Da der Westdeutsche Rundfunk sich dem Verfahren im ersten Rechtszug unterworfen hatte und in der Folge die Sprachfassung des Films gelöscht hat, gibt es heute keine originale Version mehr, außer dieser, die 2001 von aviationsafetyonline.com in den USA hergestellt und verbreitet wurde.)

 

AIRBUS und die JUSTIZ

Oft wurde mir unterstellt, ich hätte ein Problem mit Airbus. Das ist falsch. Airbus hat aber offenbar ein Problem mit mir und insbesondere dem vorbenannten Verfahren, in dem ich dem Flugzeughersteller nachweisen musste, dass ein Vorstandsmitglied und ein Chef-Testpilot vor Gericht zum Nachteil des WDR und mir falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben haben.

Airbus hatte im Frühjahr 1995 per einstweiliger Verfügung durch das Landgericht Hamburg die weitere Ausstrahlung eines WDR-Filmbeitrages in der ARD verhindert. In der Dokumentation wurde die Problematik der Mensch-Maschine-Schnittstelle in computergestützten Cockpits einem interessierten Fernsehpublikum nahegebracht. Der Film mit dem Titel „Tödliche Logik“ beschäftigte sich u.a. auch mit den Erkenntnissen aus dem Landeunfall eines Lufthansa Airbus A320 in Warschau am 14.9.1993 sowie den Folgen.

Das Verfahren (Landgericht Hamburg AZ 324 O 44/95 und 324 O 203/96) gegen mich als den Autoren des Films wurde am 5. Mai 2003 von Airbus durch die Rücknahme der Klage abschließend beendet. Airbus trägt darüber hinaus alle Kosten dieses Verfahrens.

Den mir entstanden Reputationsschaden sowie die Nachteile, die ich persönlich wegen dieses Verfahrens während dieser und in der Folgezeit hatte, hat Airbus allerdings bisher nicht korrigiert.