HAPPY LANDINGS

„Gott würfelt nicht.“
Albert Einstein

 

Ursachen- und Fehlerforschung sind unabdingbare Komponenten des die Luftfahrt umgebenden Sicherheitsnetzes. Werden Ursachen und Fehler von Vorkommnissen und Katastrophen in der Luftfahrt nicht schonungslos benannt, bekommt das Netz immer mehr Risse zwischen den einzelnen Maschen. Es ist dann nicht mehr in der Lage, den erwarteten und durch Vorschriften eingeforderten Sicherheitsgrad aufrechtzuerhalten. Flugkatastrophen wie die hier geschilderten sind die unvermeidliche Folge.

Besonders eindrucksvoll findet man das im Bericht zum Absturz der amerikanischen Raumfähre Columbia im Februar 2003 belegt. In einer Rekordzeit von nur sechs Monaten legte die Kommission unter Leitung des US- Navy Admirals a.D. Harold Gehman ihre sehr detaillierten Ergebnisse vor.Und diese zeigten anschaulich, dass gerade die Fehler auf den administrativen Ebenen den Unfall ermöglichten. Folglich erhielt der Shuttle bis auf weiteres Flugverbot.(1)

Eine so drastische Maßnahme kommt in der Zivilluftfahrt dagegen recht selten vor. In keinem der hier geschilderten Fälle wurden vergleichbar schnell und konsequent die Lehren aus der Geschichte gezogen. Auch die Concorde wurde erst nach zähem Ringen, seitenweiser negativer Publicity und der Einsicht in die Unrentabilität des Prestigeobjekts „gegrounded“. Man muss die Untersuchungsberichte also schon sehr genau lesen um zu erkennen, wo die wahren Ursachen hinter den Katastrophen des Flugverkehrs liegen.

Anders im Fall der Raumfähre Columbia. Admiral Gehman empörte sich, dass nicht versucht wurde, die Astronauten in ihrer am Hitzeschild beschädigten Raumfähre zu retten. Die NASA hätte, so Gehman, eine weitere Raumfähre ins All schießen sollen, um die Crew aus der dem Absturz geweihten Columbia zu befreien. Für den Militär ging es vornehmlich um Menschenleben, die einfach aufgegeben, statt gerettet wurden, weil etwaige Rettungsszenarien außerhalb des Vorstellungshorizontes der verantwortlichen NASA-Funktionäre lagen. Solch klare Worte sind selten zu hören. Die Regel sind Schutzbehauptungen, die die Verantwortung wegdelegieren – von den Airlines zu den Herstellern zu den Behörden und dann letztlich zu den Piloten, die ihr Leben beim Flugzeugabsturz verloren haben und sich deshalb wie Sten Molin nach dem Unglück von Queens nicht mehr zur Wehr setzen können. Doch abgesehen davon, dass unter Umständen die Schuld an der falschen Stelle gesucht wird, erschwert diese einseitige Sichtweise die dringend notwendige Ursachenforschung und damit die Unfallprävention – wenn sie diese nicht gar unmöglich macht.

Die NASA hingegen wusste, was sie erwartete. Schon einen Tag vor der Veröffentlichung des Abschlussberichtes kündigte der Administrator der NASA Sam O’Keefe eine „wirkliche hässliche Bilanz“ an. Der Bericht machte schonungslos die individuellen Fehler von hochrangigen Ingenieuren und NASA-Managern publik, die das Unglück vom 1. Februar 2003 begünstigten. Dabei finden sich zahlreiche Verweise auf die vorangegangene Challenger-Katastrophe von 1986 (2), die damals ermittelten Schwachstellen bei der NASA sowie das ernüchternde Fazit, dass die gewonnenen Erkenntnisse über 17 Jahre nicht angemessen umgesetzt wurden. Insofern ist der Columbia-Unfallbericht sicherlich eine Rarität unter seinesgleichen und damit durchaus geeignet, neue Maßstäbe an zivile Flugunfalluntersuchungskommissionen und deren Arbeit zu setzen.

Der ICAO Annex 13, das internationale Regelwerk zur Flugunfalluntersuchung, fordert, dass binnen eines Jahres nach einem Unfall ein solcher Bericht vorliegen soll, zumindest ein ausführlicher Zwischenbericht, wenn die Untersuchung nicht in dieser Frist abgeschlossen werden kann.(3) Genau gegen diese Regelung aber wird immer häufiger verstoßen. Es ist erstaunlich, wie lange sich die Kommissionen, zum Beispiel nach dem Absturz von American Airlines Flug 587 über Queens im November 2001, Zeit lassen und ihre mitunter schon in einem sehr frühen Stadium gewonnenen Ergebnisse zurückhalten. Auffällig ist außerdem, dass Unfallberichte immer öfter erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfristen für Schadenersatzforderungen veröffentlich werden, in der Regel also zwei Jahre nach einem Unfall. Schuld daran haben sicher auch die so genannten „Opferanwälte“, wie ein Unfallermittler im Zusammenhang mit dem Fall „Überlingen“ unverhohlen erklärte. Doch selbst wenn es so ist: Gibt das den Ermittlungskommissionen einen legitimen Grund, mit ihrem Wissen zurückzuhalten? Die Kommission ist nach dem ICAO Annex 13 unabhängig und arbeitet nicht nach Vorgaben und Weisungen einer höheren Instanz.(4) Und das aus gutem Grund: Sobald in deren Arbeit andere Interessen hineinspielen, Ursachen verschleiert oder erst gar nicht ermittelt und in der Folge entsprechend kommuniziert werden, wird es weitere Zwischenfälle und Unfälle geben, die eigentlich vermeidbar wären.

Aber nach wie vor dauert es viel zu lange, bis die einmal gesicherten und verifizierten Mängel nach einem Unfall abgestellt werden. Die Hersteller von Flugzeugen haben ihre Produkte auf einen höheren wirtschaftlichen Nutzen getrimmt und sind in Fragen der Crash-Sicherheit in den Siebzigerjahren stehen geblieben, obwohl heute nachweislich mehr geflogen wird. Durch solche Praktiken wird das Sicherheitsnetz zunehmend dünn, weil sich zum allzeit gegenwärtigen „human factor“ im Cockpit oder am Boden die Fehlentscheidungen auf den Ebenen des Managements hinzugesellen. Daran können auch die internationalen bilateralen Abkommen nichts ändern, die dafür sorgen, dass beispielsweise die Anordnungen der FAA von den Schwesterbehörden übernommen werden. Denn die manchmal erst aus schmerzhaften Erfahrungen gewonnenen Erkenntnisse und Lehren von Flugunfällen werden nicht mit dem notwendigen Nachruck in für jeden verbindliche Vorschriften umgewandelt. Nur mit sehr unterschiedlichem Eifer fügen die nationalen Aufsichtsbehörden die während der Untersuchung entwickelten Sicherheitsempfehlungen den jeweiligen Tagesordnungen ihrer Fachgremien zu. Diese tagen dann irgendwann einmal und debattieren so lange und so kontrovers, als hätte es den zugrunde liegenden Unfall noch gar nicht gegeben. So können sich Anordnungen auf unbestimmte Zeit verzögern, die für die Flugsicherheit streng genommen unerlässlich sind. Man denke nur an die endlosen Diskussion über die Flugdienstzeiten der Piloten, die auch nach dem Zwischenfall von Little Rock nicht forciert wurden. Kommt dann noch der enorme Einfluss von Lobbygruppierungen hinzu, scheint es fast aussichtslos, eine Optimierung des Sicherheitsnetzes zum Wohle aller zu erreichen. Solange es nicht eine mindestens genauso einflussreiche Gruppe gibt, die in den entscheidenden Gremien vorbehaltlos die Interessen der Passagiere vertritt, wird sich daran leider auch nichts ändern. Zwar gibt es die unterschiedlichsten Konsumentengruppen, doch die beschäftigen sich lieber mit der Temperatur des Champagners in der First Class oder dem dürftigen Zeitungsangebot in der Business und Economy Class statt mit einer Initiative im Bereich der Sicherheit oder aber mit so nahe liegenden Dingen wie humanen Sitzabständen, damit nicht noch mehr Passagiere auf Langstreckenflügen dem gefürchteten Economy-Class-Syndrom(5) zum Opfer fallen. Mit dem blinden Vertrauen, dass solche Interessen von den gewählten Volksvertretern wahrgenommen würden, lässt sich weder die Sicherheit noch der angemessene Komfort bei einer Flugreise erhöhen. Auf welcher Seite die hier angesprochenen Politiker zu finden sind, ist leicht zu erkennen, wenn ein neuer Flugzeugtyp wie kürzlich in Toulouse unter großem Presseaufwand aus der Taufe gehoben wird.

„Wer seine Zukunft bauen will, muss in der Gegenwart leben“, sagte einst der berühmte französische Autor und Pilot Antoine de Saint-Exupéry. “Wir bauen Flugzeuge in erster Linie um zu fliegen, nicht um zu crashen”, sagte mir ein PR-Vertreter der Firma Airbus auf einer Informationsveranstaltung über den neuen „Giga“-Jumbo, den A380, in Miami im Jahr 2001. „Wenn es ein Leben rettet, ist es die Sache wert“, lautet das Motto des New Yorker Polytechnischen Instituts im Fach „Moral und Ethik im Flugzeugbau“ von 1963. Blickt man hinter die Kulissen der Flugkatastrophen, muss man sich ernsthaft fragen, ob diese hehren Grundsätze ausschließlich in der wohlklingenden Theorie zu finden sind oder auch in der Praxis des Flugzeugbaus, des Fliegens und der Flugüberwachung eine gewichtige Rollen spielen.

Schon vor einigen Jahren interessierte ich mich insbesondere dafür, wie der Hersteller des heute wohl größten Passagierjets, des Airbus A380, zum Beispiel eine Evakuierung aller Passagiere binnen 90 Sekunden durch die Hälfte aller verfügbaren Ausgänge organisieren wollte. Die Antwort überraschte und erschreckte mich gleichermaßen: „Das machen wir ganz einfach in Form einer Computersimulation.“ (Anm.d.Verf.: das wurde dann Airbus von den Aufsichtsbehörden doch verwehrt. Die A380 bestand den Evakuierungstest in Hamburg. Allerdings ist anzumerken, dass unter den Testpersonen zahlreiche Airbus-Mitarbeiter und Lufthansa-Kabinenpersonal war.)

Ich wage mir kaum vorzustellen, wie eine leicht gebrechliche ältere Dame aus einer der Türen des Oberdecks eines A380 die Notrutsche hinuntergelangen soll … Aber das ist zunächst einmal das Problem von Airbus, und der A380 befindet sich nach wie vor in der Konstruktions- und Testphase. Überlegt man sich jedoch, dass unmittelbar über dem Haupttank auf zwei Decks bis zu 160 Passagiere verteilt sein können, die bei einem Crash wohl kaum eine reale Chance hätten, heil herauszukommen, dann legt sich zumindest bei mir ein dezentes „Unwohlsein“ auf die Magengegend. Dabei habe ich keine sonderliche Flugangst, immerhin fliege ich leidenschaftlich selber.

Was mich persönlich immer wieder nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass im Flugzeugbau hinsichtlich des Themas „Unfallsicherheit“ gerne mehr Abstriche in Kauf genommen werden, als wir das von jedem simplen in Serie hergestellten PKW kennen. Auch die letzten Designs für die neuesten Modelle aus dem Hause Airbus oder Boeing verfügen über sehr gute und vor allem kosteneffiziente Flugeigenschaften, jedoch kaum über ein Mehr an Sicherheit für die Passagiere. Bei einem Auto wird schon in der Planungsphase konkret davon ausgegangen, dass es einmal einen Unfall geben könnte. In den vergangenen Jahrzehnten wurden deshalb verbesserte Seitenaufprallschutzsysteme, Airbags und Bordcomputer (zum Beispiel auch mit integrierten Eiswarnern) zum Standard. Kaum jemand würde heute einen Neuwagen ohne solche Sicherheitssysteme erwerben. Man kann davon ausgehen, dass bis zu 30 Prozent der Konstruktion eines modernen Autos einzig für den Fall eines Crashs konzipiert ist. Die Preisdifferenz zahlt der Kunde, und das in vielen Fällen sogar gerne. Autos sind konsequent mit einer höheren Sicherheitsmarge für den Crashfall gebaut, Flugzeuge leider überhaupt nicht. Das verwundert, denn laut den nüchternen Erkenntnissen der internationalen Flugunfalluntersuchungsbehörden könnten knapp 75 Prozent der tödlich endenden Flugunfälle „überlebbar“ sein.

Aber solange kritische Sachverhalte bei den Airlines verschönt werden, um ja kein schlechtes Bild abzugeben, Behörden ihnen bekannte Vorfälle derart „vertraulich“ behandeln, dass sie der Öffentlichkeit vorenthalten werden, wird letztendlich genau diese Öffentlichkeit getäuscht und nur in einer „vermeintlichen“ Sicherheit gewogen. Das ist umso bedenklicher, weil gerade diese Behörden eigentlich im direkten Aufrag der Bürger tätig sind.

In den USA, aber auch in fortschrittlichen europäischen Demokratien wie Schweden gibt es für solche Fälle ein Gesetz, dass jedem Bürger die Möglichkeit, einräumt, Informationen einzusehen, die staatliche Behörden im Zuge ihrer Tätigkeit gesammelt haben. Die Behörden müssen Auskunft erteilen, sonst kann dieses Recht eingeklagt werden. Auch die neue Europäische Verfassung sieht neuerdings dieses Grundrecht für jeden Europäer vor. Doch gerade die deutsche Bundesregierung möchte diese Rechte es in der nationalen Umsetzung massiv einschränken. Verwaltung und Bürokratie sollen nicht gläsern werden, was nicht mehr heißt als: Der Bürger soll nicht zuviel erfahren dürfen.Und das, so denke ich, schützt nur Beamte und Politiker, während die Bürger damit weiterhin unmündig bleiben.

Die Industrie ist da cleverer: es sind insbesondere Vertreter deutscher Industrieunternehmen in den USA die größten Nutznießer des „Freedom of Information Act“. Sie stellen einer Studie zufolge nach die meisten Anträge auf Auskunft, gerade in administrativen Bereichen.

Eine andere geeignete Möglichkeit, das allgegenwärtige Kartell des Schweigens in der Luftfahrtbranche zu durchbrechen, wäre ein regelmäßiges Auditieren von Behörden und Betrieben durch unabhängige Kommissionen. Solche Überprüfungen führten schlussendlich zu dem lange überfälligen Austausch von verantwortlichen Mitarbeitern in der Schweizer Administration, inklusive dem Direktor der Aufsichtsbehörde.- Auch der zuständige Verkehrsminister bekam das Ressort „Luftfahrt“ entzogen. Doch leider wurde viel zulange auf Zeit gespielt, versuchte man die Probleme auszusitzen – bis es in der Schweiz zu dem beschriebenen Sicherheitskollaps kam.

Möglich ist dies unter anderem, weil die Öffentlichkeit zumeist nur durch Katastrophen auf das Problem Flugsicherheit aufmerksam wird. Die Berichte mehren sich, je höher die Zahl der Todesfälle steigt, je spektakulärer wie am 11. September 2001 die Bilder sind und je näher das Unglück, wie im Fall der Concorde oder des Absturzes von Überlingen, an uns Europäer heranrückt. Haben sich dann aber nach ein paar Monaten die Wogen geglättet und die Medien beruhigt, geht man bei Herstellern, Airlines und Behörden zum „business as usual“ über – und die Fluggäste steigen wie gewohnt in die Maschinen. Sogar nach dem 11. September 2001 haben sich die Verhältnisse wieder normalisiert. Man fliegt wieder, auch wenn die US-Regierung in regelmäßigen Abständen die Alarmstufe orange ausgibt.

Vielen Passagieren scheint es nämlich einfach egal zu sein, was hinter der Cockpittür, im Kontrollraum der Fluglotsen oder in den Wartungshallen der Airlines geschieht. Entweder haben sie sowieso Flugängste und versuchen diese nach Vogel-Strauß-Manier zu verdrängen, oder sie sind vordergründig nur an einem interessiert: so billig wie möglich von A nach B zu kommen. Die Frage, ob sie auch sicher dorthin gelangen, wird zweitrangig oder gar nicht erst gestellt, solange man von den Schattenseiten nicht persönlich oder in seinem privaten Umfeld betroffen ist. Viele Menschen, die ich in den vergangenen 20 Jahren kennen gelernt habe, sind jedoch wie ich davon direkt betroffen: als Piloten, Mechaniker, Konstrukteure, Flugbegleiter, Passagiere, Angehörige von Unfallopfern oder engagierte Journalisten, wobei letztgenannte nicht nach „Kompensation“, sondern nach der Wahrheit hinter einer Katastrophe fragen. Sie alle wissen nur zu genau, welches Risiko jeden der vielen täglichen Flüge von A nach B begleitet und dass nur ein verschwindend geringer Teilaspekt dieses Risikos wirklich dem Zufall überlassen bleibt. Umso schmerzlicher ist für sie die Erkenntnis, dass Shareholder-Value heute ganz unverholen vor Menschlichkeit, Verantwortung, Ethik und Moral gestellt wird und das Präventionsdenken zu einer wohlklingenden Floskel für theoretische Betrachtungen in Seminaren und Lehrveranstaltungen verkommen ist.

Aber wir, und damit meine ich alle zahlenden Konsumenten von Flugreisen, sollten uns nicht stillschweigend mit sinkenden Standards zufriedengeben, da wir doch auch künftig nicht nur schnell, sondern eben auch sicher große Distanzen im Beruf, im Privatleben oder ganz einfach im Urlaub überwinden wollen. Eine stillschweigende „Duldung“ von Sicherheitsproblemen, lieber Leser, verhindert nämlich nicht, dass sich erneut eine Katastrophe aus ähnlichen oder sogar denselben Gründen wieder ereignet.

 

In diesem Sinne: always happy landings!

 

 

Fußnoten:

(1) Die Columbia war die erste Raumfähre der NASA, deren erster Flug am 12. April 1981 stattfand. Für die NASA wurde es in den Folgejahren zunehmend schwieriger, wegen der auferlegten Budgetkürzungen und des damit einhergehenden Stellenabbaus angemessen auf plötzlich auftretende Probleme zu reagieren oder den Gleiter technisch zu verbessern. Während des Starts am 16. Januar 2003 löste sich eine Schaumstoffisolierung von der Verbindungsstelle zum Außentank und beschädigte die linke Tragfläche. Dabei wurden die Flügelkante sowie einige der speziellen Hitzeschild-Kacheln in Mitleidenschaft gezogen. Daher konnte beim Widereintritt der Columbia in die Erdatmosphäre erzeugtes Plasma die unter den Kacheln befindliche Aluminiumkonstruktion schmelzen, was in der Folge zu noch schwer wiegenderen Schäden an der Tragfläche führte. Schließlich brach die Konstruktion auseinander und verglühte. Die sieben Astronauten und Wissenschaftler kamen ums Leben. Der Columbia-Abschlussbericht wurde am 26. August 2003 veröffentlicht. Die Kommission befand, dass die Tragödie auf technische und organisatorische Versäumnisse zurückzuführen war. Das Problem mit der Schaumisolierung hatte schon über mehrere Jahre bestanden, NASA-Ingenieure hatten verschiedene Lösungsmöglichkeiten theoretisch durchgespielt, aber sie wurden nicht umgesetzt. Eben wegen dieser Gründe, so die Kommission, hätte die Columbia nicht weiter betrieben werden dürfen. Obwohl es in früheren Missionen zu ähnlichen Beschädigungen gekommen war, glückten die Landungen. Trotzdem, so wurde hervorgehoben, hätten die NASA-Manager nicht einfach die Bitten der Ingenieure zurückweisen dürfen, sich zunächst einen genauen Überblick über die am 16. Januar 2003 aufgetretenen Schäden zu machen. Das Flugverbot für die Columbia wird voraussichtlich erst im Sommer 2005 wieder aufgehoben.

(2) Am 28. Januar 1986 explodierte der US-Space-Shuttle Challenger 73 Sekunden nach dem Start. Auch hier kam die Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass bekannte Gefahren und Bedenken in höchst fahrlässiger Weise von verantwortlichen Managern verdrängt wurden.

(3) ICAO ANNEX 13, Kapitel 6: „6.5 In the interest of accident prevention, the State conducting the investigation of an accident or incident shall release the Final Report as soon as possible. 6.6 Recommendation.— The State conducting the investigation should release the Final Report in the shortest possible time and, if possible, within twelve months of the date of the occurrence. If the report cannot be released within twelve months, the State conducting the investigation should release an interim report on each anniversary of the occurrence, detailing the progress of the investigation and any safety issues raised.“ (Hervorhebung im Original)

(4) ICAO ANNEX 13, Kapitel 3: „3.1 The sole objective of the investigation of an accident or incident shall be the prevention of accidents and incidents. It is not the purpose of this activity to apportion blame or liability.“

(5) Durch das beschränkte Raumangebot an Bord eines Flugzeuges kann es zum „Economy-Class“-Syndrom kommen. Die mehrstündige Immobilität in abgewinkelter Körperhaltung begünstigt die Ödementwicklung in den Beinen. Zugleich tritt eine Verlangsamung der Blutzirkulation besonders auf dem venösen Sektor ein. Die Zirkulationsstörungen sind mit der Gefahr von Beinvenenthrombosen verbunden, die auch bei gesunden Menschen plötzlich und unerwartet zur Embolie führen können. Zur besonders gefährdeten Risikogruppe gehören Raucher, Herz- und Gefäßkranke, Diabetiker, Frauen, die mit der Antibaby-Pille verhüten, vor kurzer Zeit Operierte, Übergewichtige, Schwangere, und besonders ältere Menschen. Auch ein gegipstes Bein, zum Beispiel nach einem Sportunfall erhöht das Risiko.